#GroKo: Stillstand wäre dagegen schon Fortschritt (Crosspost)

Normalerweise schubse ich ja meine Beiträge bei MobileGeeks nicht auch noch hier rein, in diesem Fall will ich mal eine Ausnahme machen, immerhin gibt es ja tatsächlich Menschen, die mir sagten, dass sie hier aber nicht bei MobileGeeks lesen würden…

GroKo

In keinem anderem Koalitionsvertrag soll so oft das Thema Internet & digitale Zukunft vorgekommen sein, wie im aktuellen Vertrag der Großen Koalition. Das ist alles ganz wichtig für die neue Regierung, die Frage ist nur in welche Richtung das nun alles gehen soll. Einige befürchteten Stillstand bei diesen Themen – aber eigentlich wäre Stillstand doch schon ein Fortschritt gegen das, was sich da andeutet.

Da wäre zum einen die Nachfolge des Bundesdatenschützers Peter Schaar. Man kann sicherlich einiges kritisieren, was er getan hat und vielleicht ist er dann und wann auch über das Ziel hinaus geschossen mit seinen Forderungen, aber man kann ihm zumindest nicht vorwerfen, dass er seinen Aufgabe nicht ernst genommen oder sich vor der Regierung geduckt hätte. Auch das Innenministerium, für die Datenschutzbehörde zuständig, musste sich einiges an Kritik gefallen lassen von ihm, besonders in Sachen NSA-Schnüffelei.

So ein aufmüpfiges Verhalten ist von seiner Nachfolgerin nicht zu erwarten. Andrea Voßhoff saß bislang für die CDU im Bundestag, bei der letzten Bundestagswahl hat es aber nicht mehr für sie geklappt. Ihren Wahlkreis hat sie an Frank-Walter Steinmeier von der SPD verloren und auch über die Landesliste reichte es nicht für sie. Dafür soll sie nun Deutschlands oberste Datenschützerin werden. Wäre man bösartig, dann könnte man meinen, es ginge hier nur darum jemandem mit einem Posten zu versorgen.

Aber muss man für so eine Annahme wirklich bösartig sein? Denn so richtig als Datenschützerin hat sich Frau Voßhoff bislang nicht hervor getan, eher das Gegenteil ist der Fall: Sie stimmte damals mit ihrer Fraktion für Internetsperren, verteidigte sowohl die Vorratsdatenspeicherung als auch das Acta-Abkommen. Alles Themen bei denen Datenschützer bislang eher kritisch waren. Und das sollte man doch von einem Bundesdatenschutzbeauftragten erwarten dürfen: Kritisch zu sein bei solchen Themen, gerne auch mal überkritisch. Oder wie es Nadja Hirsch von der FDP sagt:

Der Bundesdatenschutzbeauftragte ist unser aller Anwalt zum Schutz unserer Privatsphäre und kein Versorgungsposten für ausgeschiedene Bundestagsabgeordnete der Union

Von dieser Seite ist also wohl kaum viel Widerspruch zu erwarten, wenn die GroKo wieder einmal unsere Bürgerrechte im Netz beschneiden will. Aber wer weiß, vielleicht überrascht uns Frau Voßhoff ja noch?

Dann gibt es da noch das Thema Geheimdienste und Schnüffelei im Netz. Nicht nur die NSA schnüffelt, es gab offenbar auch Defizite bei der Kontrolle unserer eigenen Geheimdienste. Bislang war für die Koordination der Geheimdienste der Kanzleramtsminister zuständig, in Zukunft soll das ein eigener Geheimdienst-Staatssekretär im Bundeskanzleramt machen. Das ist doch eine gute Nachricht, oder?

Diese Aufgabe soll in Zukunft Klaus-Dieter Fritsche von der CSU übernehmen. Und er ist bestens geeignet für den Job, denn er hat Erfahrung mit Geheimdiensten: Immerhin war er auch mal Vizepräsident des Verfassungsschutzes, also eben eines Geheimdienstes. Mit der Erfahrung sollte es doch eine Kleinigkeit sein, hier mal für bessere Aufsicht und Kontrolle der Dienste zu sorgen. Wenn es da nicht berechtigte Zweifel an der nötigen Motivation gäbe.

Dieser Herr Fritsche war es übrigens, der vor einem Jahr in Sachen NSU im Untersuchungsausschuss des Parlaments aussagen sollte, aber nicht so recht ins Detail gehen wollte, so dass am Ende die Sitzung abgebrochen wurde. Wenn man sich nun von ihm Aufklärung in Sachen NSA und eine verbesserte Kontrolle unserer Geheimdienste erhofft, dann wird man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit enttäuscht, denn was er von demokratischer Kontrolle und Aufklärung hält hat er in seiner Aussage damals sehr deutlich gesagt:

Edathy: Wäre es legitim UA BfV V-Leute im Umfeld des NSU zu verschweigen? Fritsche: Ja! Staatswohl wichtiger als parlamentarische Aufklärung

Staatswohl geht also vor parlamentarischer Aufklärung? Tja, dann wird die NSA-Affäre nun also „gefritscht“ werden…

Aber immerhin: Alexander Dobrindt ist als Vekehrsminister in Zukunft auch für die digitale Infrastruktur zuständig. Ich kann schon nicht mehr zählen, wie viele Datenautobahn-Witze ich die letzten Tage dazu lesen durfte, aber immerhin hat Helmut Kohl (erinnert sich noch wer? Er war Mutti Bundeskanzler vor Merkel und Schröder) so doch noch recht behalten bei der Frage der Zuständigkeit für „Datenautobahnen“. Mal schauen, ob der Ausbau der digitalen Infrastruktur dann genau so gut funktioniert wie der Ausbau von Autobahnen und Bahnstrecken. Als erstes könnte man vielleicht das DE-CIX in Frankfurt tiefer legen? 😉

Am Ende waren dann wohl alle, die bei den für die digitale Zukunft wichtigen Themen einen Stillstand befürchteten doch noch Optimisten.

Beitragsfoto: Uwe Steinert, linksfraktionCC-Lizenz

Autor: Carsten Dobschat

Geboren 1974, links-liberal, früher Mitglied der SPD und Jusos, dann lange parteilos, später Piratenpartei, wieder parteilos und seit November 2016 wieder SPD-Mitglied - wenn auch mit Bauchschmerzen, aber man muss ja schließlich was tun gegen den Rechtsruck.

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