Klimaschutz ist Hitler!

Klimaschutz ist Hitler!

Das EU-Parlament ruft also den Klimanotstand aus. Den Notstand! Ja haben die denn total vergessen, dass ein Notstand bedeutet, dass nächste Woche Hitler die Macht übernimmt?! Das können die doch nicht machen…

So in etwa klingt das bei manchen Kommentaren zu der Resolution des EU-Parlaments, die meinen, sie müsste hier Vergleiche mit der Weimarer Republik bringen.

Der Notstand ist der kleine Bruder des Autoritären […] Die ständigen Notverordnungen der Weimarer Republik, die nach und nach die Bürgerrechte außer Kraft setzten, waren der rote Teppich auf dem Adolf Hitler schließlich in Richtung Diktatur marschierte.

Gabor Steingart

Die Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 setzte die Bürgerrechte der Weimarer Verfassung außer Kraft und ermöglichte die Machtergreifung Adolf Hitlers. Diese Verordnung wurde aufgrund des Artikels 48 der Verfassung erlassen: Notstand. […] So gesehen könnten die Parlamentarier per Klimanotstandsresolution ihre Selbstabschaffung eingeleitet haben.

Ulrich Ladurner, Zeit

„Wer heute den Klimanotstand ausruft, fordert nichts anderes als Entscheidungen ohne demokratische Legitimation und zielt darauf ab, demokratische Rechte außer Kraft zu setzen“, erklärte der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber am Donnerstag.
Er fügte hinzu: „Entweder diese Menschen wissen nicht, wovon sie sprechen, oder sie empfinden es als legitim, den demokratischen Prozess auszuschalten. Beides ist zutiefst erschreckend, gerade vor dem Hintergrund unserer deutschen Geschichte und dem Jahr 1933.“

Merkur

Ja, es stimmt, in beiden Fällen kommt das Wort „Notstand“ vor. Das war es aber auch schon. Denn diese Resolution des EU-Parlaments ist nicht mehr und nicht weniger als ein Appell, ein Aufruf, eine Bitte an die Regierungen der EU-Länder und die EU-Kommission, doch nun langsam mal den Arsch hochzubekommen und etwas zu tun. Es ist ein rein symbolischer Akt, der im besten Fall aufrüttelt, im schlimmsten Fall einfach ohne Konsequenzen zur Kenntnis genommen und abgeheftet wird.

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Aber es passt natürlich perfekt zum Gerede von einer angeblich drohenden Ökodiktatur. Dabei liegen die Fakten auf dem Tisch: Durch die Emission von Treibhausgasen verändern wir das Klima und erhöhen die Durchschnittstemperatur. Solche Vorgänge gab es natürlich auch in der Vergangenheit dieses Planeten, aber eben nie in so kurzer Zeit. Das Leben hatte Zeit sich den Veränderungen anzupassen. Evolution nennt sich das und dummerweise dauert so was eine ganze Weile. Kein Problem, wenn sich die Durchschnittstemperatur in einem Zeitraum von 10.000 und mehr Jahren verändert, aber wenn das nun plötzlich innerhalb von 200 Jahren passiert, dann ist das eine ganz andere Situation.

Die Situation ist wie sie ist: Die Veränderungen passieren bereits, wir müssen handeln, wenn wir sie noch begrenzen wollen. Und dummerweise kennt die Natur keine Demokratie, auch die Physik und die Mathematik sind gegenüber Mehrheitsentscheidungen ignorant. Die sind einfach wie sie sind. Das Klima schert sich nicht darum, ob wir die bereits begonnenen und kommenden Veränderungen nun Krise, Notfall, Notstand oder wie auch immer nennen, sie passieren und werden weiter gehen, wenn wir nichts dagegen machen.

Und wenn dann ausgerechnet von der Union da dumme Sprüche kommen, von wegen man müsse wirksame Beschlüsse fassen, um die CO2-Emissionen zu reduzieren. Dann mal nur ein Beispiel: Das EU-Parlament zieht ständig zwischen Brüssel und Straßburg um. Das wird gerade jetzt gerne kritisiert, von wegen „bevor ihr eine Resolution zum Klima macht, hört doch mal selber auf mit dem unnötigen CO2-Ausstoss“. Klingt logisch, es gab zumindest auch eine deutliche Mehrheit für das Ende des Wanderzirkusdaseins des Parlaments im Parlament (erzählt zumindest Martin Sonneborn in seinem sehr sehr guten Buch „Herr Sonneborn geht nach Brüssel“[affi]). Dummerweise müsste eine solche Veränderungen einstimmig im Rat von den EU-Regierungschefs beschlossen werden. Warum also setzt sich die Union, die ja immerhin in einem nicht ganz unwichtigen EU-Land die Regierungschefin stellt, denn nicht dafür ein, dass ein solcher Beschluss gefasst wird?

Es bleibt zu hoffen, dass die Resolution des EU-Parlaments auch wirklich etwas bewegt, dazu noch die Demos heute – andererseits bin ich skeptisch. Warum sollten sich Menschen von der Dringlichkeit des Themas durch Resolutionen und Demos überzeugen lassen, wenn sie sich durch offensichtliche Tatsachen und wissenschaftliche Erkenntnisse nicht überzeugen lassen?

Beitragsbild von Gerd Altmann via Pixabay
Crosspost von dobschat.io

Autor: Carsten Dobschat

Geboren 1974, links-liberal, früher Mitglied der SPD und Jusos, dann lange parteilos, später Piratenpartei, wieder parteilos und seit November 2016 wieder SPD-Mitglied - wenn auch mit Bauchschmerzen, aber man muss ja schließlich was tun gegen den Rechtsruck.

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