Kalkofes Kommentar zur Satirefreiheit

Kalkofes Kommentar zur Satirefreiheit

Oliver Kalkofe hat in seinem Kommentar zur Satirefreiheit ziemlich genau die Gedanken aufgegriffen und gewohnt großartig ausformuliert, die mir seit einigen Tagen durch den Kopf gehen. Es ist tatsächlich nicht zu fassen, wie viele – ansonsten doch ziemlich intelligente – Menschen entweder die Satire nicht kapiert, den Zusammenhang ignoriert oder das Thema Gewaltenteilung nicht verstanden haben.

Denen sei der Kommentar von Oliver Kalkofe empfohlen – und alle anderen dürfen ihn natürlich auch gerne sehen. Aber vorsichtig, es drohen Nackenschmerzen vom vielen zustimmenden Kopfnicken.

Wäre es nicht so traurig, könnte man darüber eigentlich nur lachen.

https://www.youtube.com/watch?v=4Gx-yZRnuZQ

Wer es lieber lesen möchte, für den hat Oliver Kalkofe den kompletten Text bei Facebook veröffentlicht und für alle, die Facebook meiden, denen habe ich diesen Text mal hierher kopiert (im Zweifel hätte ich ihn auch aus dem Video abgetippt, denn das sollte wirklich jeder hören oder lesen):

Ein paar einschätzende Worte zum dem vielleicht absurdesten Fall Real-Satire der deutschen Geschichte.
#Böhmermann – Erdogan – Ziegenficker – Fragezeichen

Schon jetzt in den Geschichtsbüchern als die erste Satire, die zur Staatsaffäre wurde, weil viele wichtige Leute zur falschen Zeit den Witz nicht verstanden haben.

Noch einmal vorneweg – auch wenn es immer wieder im Mittelpunkt steht – das Schmähgedicht an sich spielt gar keine Rolle.

Auch auf die Fragen:

  • War dieses Gedicht noch Satire oder schon Beleidigung?
  • Ist es lustig oder nicht, war das genial oder unter aller Sau
  • Darf man den türkischen Präsidenten einen Huftier-Besamer nennen oder nicht?

… muss die Antwort in diesem Zusammenhang immer heißen:

DAS IST ABSOLUT SCHEISSEGAL!

Jeder darf das empfinden wie er möchte. Doch die beabsichtigte Satire war niemals und zu keinem Zeitpunkt das vollkommen irrelevante Gedicht an sich – Sondern lediglich die Präsentation des selbigen.

Das Gedicht selbst ist plump, krass und beleidigend – allerdings so bewusst überzogen auf Kindergarten-Pöbel-Niveau, das man schon davon ausgehen durfte, ein intelligenter souveräner erwachsener Mensch versteht die Cartoonhaftigkeit der  dummdreisten Beleidigung.

Niemals hätte ein Böhmermann oder sonst ein zurechnungsfähiger Komiker sich vor die Kamera gestellt und ernsthaft dieses Gedicht vorgelesen.

Der satirische Sinn der ganzen Aktion – unabhängig von der Frage ob gelungen oder nicht – war nur der eine: Ein provokanter Kommentar zur wutschnaubenden Empörung des Rumpelstilzchens vom Bosporus, die bereits ein vergleichsweise moderater Erdogan-Song der Kollegen von Extra 3 verursacht hatte – inklusive des darauf folgenden mehrmaligen Einbestellens des deutschen Botschafters und der unverschämten Forderung des stinkbeleidigten Türken-Chefs, die deutsche Politik solle regulierend einschreiten !

Hier legte Böhmermann nun bewusst noch einen drauf und erklärte in der Sendung den Unterschied zwischen freier Meinungsäußerung und Satire und böswilligen Schmähkritik, die einfach nur auf Beleidigung aus sei – so wie das daraufhin zitierte Erdogan-Gedicht… von dem er sich danach selbst distanzierte.

Okay, klar – das war natürlich als Provokation gemeint. Keine Frage, wir sind ja nicht doof. Aber genau diese Provokation war eben die Satire, nicht das Gedicht! Und genau solch eine Provokation ist auch die Aufgabe der Satire.

Es ging hier um die Aussage, einem tobenden Despoten, der in seinem eigenen Land das Recht auf freie Meinung mit Füßen tritt, den verbalen Mittelfinger in rechtmäßiger Empörung entgegen zu strecken und zu sagen: ‘Hör genau zu, Wutwichtel,
wir leben glücklicherweise in einem Land, in dem Humor noch nicht verboten ist und in dem man frei sprechen darf. Und wenn man es geschickt macht, kann man dich sogar noch viel mehr ärgern, ohne dich wirklich offensiv zu beleidigen. Denn das ist nämlich der Witz an der Satire und der Redefreiheit! Und ihre Macht. Ha!’

Blöd nur, dass dieses Spiel mit der Meta-Ebene für sehr viele Menschen ein wenig zu hoch angesetzt war…

Die unbedacht vorschnelle Reaktion des ZDFs und allen voran der Kanzlerin, die zum Schutze des fragilen Türkei-Abkommens in vorauseilendem Gehorsam der möglichen Empörung des zürnenden Muselmanen zuvor kommen wollte, lieferte erst die Grundlage zu allem was noch folgen sollte.

Die bis heute existierende vorschnelle Löschung der Sendung in der ZDF-Mediathek verhindert zudem weiterhin, das Gedicht in seinem intendierten und präsentierten Zusammenhang überhaupt vollständig zu sehen – und nimmt uns allen somit die Möglichkeit, sich eine eigene Meinung bilden zu dürfen. Leider feige. Und beschämend falsch für einen öffentlich-rechtlichen Sender.

Wichtig bei der Gesamt-Einschätzung: Noch nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik hat ein Staatsoberhaupt ungefragt und unaufgefordert eine Humorkritik zu einem Stück Fernseh-Satire abgeliefert. Wozu auch?

Erst diese offizielle Einschätzung des Gedichts von der Kanzlerin als solche, nicht als Privatperson, und unter Auslassung des Zusammenhangs – führte dazu dass diese Satire zu einer Staatsaffäre wurde.

Was daraus folgte war ein Wirbelwind des Wahnsinns und der Absurditäten, den man aufrecht, souverän und mit ruhiger Hand wieder hätte beenden können. Nämlich mit der Ansage:

Ja, wir haben eine Gewaltenteilung – diese Frage entscheidet nicht die Politik sondern die Justiz. Und das wird sie im Fall der persönlichen Beleidigungsklage des Präsidenten Erdogan auch tun. Die überzogene und unserer Auffassung von Meinungs- und Redefreiheit nicht entsprechende Anklage wegen so genannter ‚Majestäts-Beleidigung’ wird allerdings nicht entsprochen. Als deutliches Zeichen unserer Souveränität für die Satire- und Pressefreiheit.

Dies ist leider nicht geschehen. Kanzlerin Merkel hat die Ermittlungen und somit eine mögliche Anklage wegen der ungleich schwerer zu bewertenden ‚Majestätsbeleidigung’ zugelassen – Bei gleichzeitiger Ankündigung genau dieses Gesetz wegen Unsinnigkeit so schnell wie möglich kippen zu wollen.

Was uns Bürgern und anderen Staaten nun traurigerweise sagt: Auch bei uns ist das Recht auf Satire und freie Meinungsäußerung zwar theoretisch gegeben – Endet aber leider dort, wo der Adressat eines Scherzes den Witz nicht verstanden hat. Auch wenn die Zulassung der Klage rein rechtlich möglich und absolut erklärbar ist – Dem Rechtsstaat wäre auch ohne diese Zustimmung durch die private Klage Erdogans genüge getan worden. Die Gerichte hätten entschieden – fernab der Politik. So wie es sein soll.

Die Zulassung der Klage als absurde ‚Majestätsbeleidigung’ war deshalb weder zwingend noch nötig. Sie war rechtlich korrekt und politisch möglich – als Zeichen an unser Land und die Welt war sie fatal. Dies war kein Zeichen der Stärke, kein Zeichen von Mut oder Entschlossenheit. Und auch wenn es nicht so gemeint war und diese Behauptung vielleicht falsch oder übertrieben ist: Diese Entscheidung wird vermutlich als mutloses Einknicken und Verrat an den Werten unseres Landes und unserer Freiheit stehen bleiben, das selbst vom Vorsitzenden der Türkischen Gemeinde in Deutschland kritisiert wird. Denn auch die hätte sich auch für ihr Land und ihre Bürger ein klares Bekenntnis zur Meinungsfreiheit gewünscht. Diese Entscheidung aber hilft wirklich niemand.

Und sie wird fatalerweise gerade von den falschen und radikalen Kräften für ihre Zwecke genutzt werden. Denn alle, die bereits bislang Merkel – unberechtigterweise – als Verräterin am eigenen Volk bezeichnet haben, bekommen nun einen Beweis für ihre Behauptung und die Gelegenheit, auf einen bequemen, wenn auch falschen Zug der Argumentation aufzuspringen. Wodurch ich befürchte, dass der Bumerang, der von der Kanzlerin hier lasch und kraftlos geworfen wurde, noch mit heftiger Wucht in ihrem eigenen Nacken landen wird.

Ein trauriger Tag für unser Land und unsere Meinungsfreiheit. Aus einem kleinen, zugebenermaßen diskussionswürdigen Scherz, wurde eine absurde Staatsaffäre. Aus einem Furz wurde ein Tsunami.

Durch eine bizarre Abfolge unsinniger Fehlentscheidungen wurde aus dem Versuch, die Satirefreiheit mit ihren eigenen Mitteln zu demonstrieren, eine politische Demonstration dazu, wie man mit ihr eben nicht umgehen darf. Diese Entscheidung war vielleicht nicht der Tod der Satirefreiheit, aber zumindest ein gewaltiger Tritt in ihre Eier. Die eben unsere Regierung gerade damit nicht bewiesen hat.

Wäre es nicht so traurig, könnte man darüber eigentlich nur lachen.

 

Autor: Carsten Dobschat

Geboren 1974, links-liberal, früher Mitglied der SPD und Jusos, dann lange parteilos, später Piratenpartei, wieder parteilos und seit November 2016 wieder SPD-Mitglied - wenn auch mit Bauchschmerzen, aber man muss ja schließlich was tun gegen den Rechtsruck.

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